Unser Thema für den Dezember war "Licht", also ein ganz einfaches Thema - und doch ein ganz kniffliges. Warum ist es einfach? Wenn es um Fotografie geht, dann geht es immer auch - und vor allem - um Licht. Ohne Licht gibt es keine Fotografie, daher stellt jede Fotografie auch Licht dar und zwar an allen Stellen, die nicht vollständig geschwärzt sind. Das wäre ein sehr trivialer Zugang, der so gut wie jede fotografische Aufnahme als themenrelevant akzeptierte.
Man muss sich aber dessen bewusst sein, dass es einen Unterschied macht, ob man mit Licht fotografiert oder ob man zum Thema "Licht" fotografiert. Dieser Unterschied macht das Thema knifflig.
Wenn Susanne (@BlackLily) in der Erklärung schreibt, dass der Sänger ihrer Lieblingsband allen "Viel Licht" auf den Weg gibt - was ist damit gemeint? Fünf Taschenlampen statt einer? Doch wohl kaum. "Licht" steht in solchen und ähnlichen Aussagen für Begriffliches. Vermuten lässt sich im vorliegenden Fall, dass Begriffe wie Zuversicht, Hoffnung oder Freude gemeint sein könnten, in anderen Zusammenhängen können es auch Begriffe wie Erkenntnis, Erfahrung oder Weisheit sein, wobei die Möglichkeiten gewiss noch nicht ausgeschöpft sind. Aber stets steht "Licht" für einen positiv besetzten Begriff. Konfuzius etwa soll gesagt haben: "Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu murren." Damit ist auch die Gegenseite des Lichts angesprochen: die Dunkelheit - egal, ob man es im buchstäblichen oder im übertragenen Sinn versteht.
Aus dem Vorstehenden, so denke ich, lassen sich schon einige Aussagen über "Licht" als Thema treffen:
- Licht steht sehr häufig auch für einen (meist positiv besetzten) Begriff.
- Licht kommt vor allem dann zur Wirkung, wenn man es im Gegensatz zur Dunkelheit sieht.
Anknüpfend an den zweiten Punkt könnte man zur Erkenntnis kommen, dass es wahrscheinlich nicht ausreichend sein wird, das Bild vom Licht beherrschen zu lassen. Erst wenn ein Gegensatz zur Dunkelheit merkbar wird, dann entsteht im Bild etwas, was sich mit Atmosphäre oder Stimmung beschreiben ließe. (Natürlich können auch Bilder, in welchen dieser Gegensatz nicht merkbar wird, stimmungsvoll sein. Dann aber lässt sich die entstandene Stimmung nur schwer auf das Licht zurückführen. Also: nicht bei jedem stimmungsvollen Bild ist das Thema das Licht.)
Ich möchte zwei Bilder aus diesem Monatsthema vergleichen, die eigentlich unterschiedlicher nicht sein könnten: Das erste ist der Beitrag von Hans-Werner (@Digitalhansi). Man sieht eine relativ flache Landschaft unter einem stark bewölkten Himmel, durch welchen nur an einigen Stellen die Sonnenstrahlen gleichsam wie Spotlichter durch die Wolken brechen und dort ihre Lichtzeichen setzen. Das Bild hat eine unübersehbare Stimmung, weil den einzelnen Lichtstrahlen die dunkel-bedrohlich wirkende Wolkenlandschaft entgegengestellt ist. Diese Stimmung hat definitiv dramatischen Charakter. Wollte sich jemand an eine Interpretation wagen, so wäre sicher die beginnende Überwindung einer Bedrohung ein zentrales Motiv einer solchen.
Leider ist das Bild nach meinem Dafürhalten technisch unzulänglich - und zwar durchaus in einer Weise, dass auch der Gesamteindruck empfindlich gestört ist. In erster Linie sind da die komplett ausgefressenen Stellen in den Wolken an der Durchbruchsorten der Lichtstrahlen zu nennen. Auch mit einer einfachen Kamera wäre dieses Problem - zumindest besser - in den Griff zu bekommen gewesen. Und ich finde, für dieses an sich hervorragende Motiv hätte es sich ausgezahlt, etwas mehr Mühe und Überlegung in die Aufnahme - und eventuell auch in die Bearbeitung zu investieren.
Dem zweiten Bild dieses Vergleichs kann man keine technischen Mängel vorwerfen. Es handelt sich um den Beitrag von Harald (@harald13114). Dabei geht es um elektrisches Licht - und uns wird das gezeigt, was für die meisten von uns jahrzehntelang der Inbegriff der Wohnraumbeleuchtung gewesen ist. Eine klare Glühbirne mit dem gesamten Innenleben und dem glühenden Wolframdraht. Was das Bild aber nicht vermittelt, ist Atmosphäre. Es wirkt eher wie das Schaubild einer Glühbirne mit hauptsächlich informativem Charakter. Wer wissen will, wie das Innere einer Glühbirne aufgebaut ist, findet hier, was er sucht. Natürlich ist auch hier das Thema "Licht", aber es wird ausgesprochen trocken und sachlich-nüchtern, fast distanziert vermittelt.
Ich kann mir nur vorstellen, dass die Wirkung genau beabsichtigt war - aber warum? Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat sich mit Bezug auf seine Wahlkampfreden von seinen Spindoktoren sagen lassen müssen, dass Menschen nicht von Fakten bewegt werden, sondern von Emotionen. Das scheint nur auf den ersten Blick mit der hier gegebenen Situation nichts zu tun zu haben, aber in Wahrheit wollen wir uns auch von Bildern berühren lassen - und das gelingt, wenn diese emotional "gelesen" werden können.
Für mich haben beide Bilder durchaus positive Aspekte, aber jedes Bild in einer anderen Hinsicht. Ebenso konträr sind nach meinem Dafürhalten auch die Schwächen beider Bilder. Aber Fotografien sollten stets als ein Ganzes wirken. Wenn dieses Gefühl durchkommt, dann kann man vielleicht auch über kleinere Beeinträchtigungen der einen oder anderen Art hinwegsehen.
Übrigens ist die Produktion von Wolframdrahtlampen in der gesamten EU - bis auf wenige Nischenprodukte - seit einigen Jahren eingestellt. Die Glühbirne in der hier gezeigten Form ist, auch wenn sie immer noch in Gebrauch ist, ein Auslaufmodell, welches zunehmend stärker durch die sparsamere LED-Beleuchtung ersetzt wird. Eine Wolframdrahtlampe als "modern" zu bezeichnen, halte ich daher nicht für zutreffend. Aber natürlich hat das mit dem Bild nichts zu tun.
Der Vergleich zwischen diesen beiden Bildern hat sich mir aufgedrängt, aber natürlich gäbe es auch zu diesem Thema viel mehr nachzubesprechen. Ich hoffe, dass noch manches kommt. Darüber hinaus kann jeder, der über seinen Beitrag zum Monatsthema etwas lesen will, dieses hier einstellen. Das scheint schon etwas in Vergessenheit geraten zu sein.
Euch und uns allen wünsche ich einen frohen und hoffnungsvollen Beginn eines neuen Jahres, in dem das "Licht am Ende des Tunnels" immer größer werden möge.
Gruß Werner