Mittlerweile haben wir auch im heurigen Jahr das dritte Monatsthema abgewickelt - und diesmal glücklicherweise ohne irgendein Bild ausschließen zu müssen. Erfreulicherweise hat Ute (@Greta) das Spektrum der Teilnehmer mit Bildbeiträgen erweitert. Ich hoffe, dass es ihr Spaß gemacht hat und ich möchte sie ermuntern, so weiterzumachen.
Gibt es zum Thema "Schwarz-Weiß" grundsätzlich etwas zu sagen? Nicht, wenn es nach den Themenerstellern Rainer (@Rai_Wil) und Harald (@harald13114) geht. Ihre Erklärung zum Thema ist die, dass eine solche sich erübrigt. Wie es demnach schiene, wäre es also ganz einfach: Man nehme ein beliebiges Farbbild und wandle es in Schwarzweiß um. Kann man mit einem solchen Vorgehen dem Thema Schwarz-Weiß - als Thema(!) - gerecht werden? Was meint Ihr? Ich möchte hier gerne zur Diskussion stellen, wann und unter welchen Umständen ein Schwarzweiß-Bild eine bessere oder andere Wirkung entfalten kann als ein Farbbild.
Mir scheint ein solches Thema, welches sich nicht auf eine bestimmte Objektgruppe (wie Treppen, Blumen etc.) bezieht oder auf bestimmte Objekteigenschaften (wie Rot, Rund etc.), sondern eigentlich auf eine bestimmte Form der Ausarbeitung, sehr schwierig zu beurteilen. Die Kriterien, die sich bei den beiden erstgenannten Gruppen heranziehen lassen, greifen in diesem Fall kaum. Unter Umständen steht man vor dem Problem, ein Landschaftsbild zu vergleichen mit einem Tabletop-Bild - inhaltlich in keinem Aspekt vergleichbar - nur in der Tatsache, dass beide Schwarzweiß-Aufnahmen sind. Ich denke, dabei muss doch einfach die Frage aufkommen: Wie plausibel ist es, das vorliegende Sujet in Schwarzweiß zu präsentieren? Bringt die Schwarzweiß-Ausführung einen Mehrwert - oder bringt sie einen anderen Aspekt des Motivs zur Geltung? Und wenn ja: welcher ist das? Und wenn nein: wie plausibel ist es, ein Sujet in Schwarz-Weiß darzustellen, wenn letztlich aus einem guten und gefälligen Farbbild bloß ein gutes und gefälliges Schwarzweiß-Bild geworden ist? Ist in einem solchen Fall das Thema überhaupt getroffen? Ich glaube nicht. Wenn man schon eine Form der Ausarbeitung zum Thema macht, dann muss doch ein themenrelevanter Bildbeitrag das Thema auch rechtfertigen - glaube ich. Denn wenn wir bloß nette Farbbilder ohne ersichtliche Notwendigkeit in nette Schwarzweiß-Bilder umwandeln, dann wird das, was ja das Thema sein sollte, zu einem sekundären Formalaspekt. Auch dazu möchte ich gerne Eure Meinung lesen: Wäre das Thema "Schwarz-Weiß" getroffen mit einem gefälligen Bild, welches in Farbe genauso gefällig wäre? Und vor allem: Wenn ja, warum? Woraus ergäbe sich dann die Berechtigung, "Schwarz-Weiß" als das dem Bild zugrundeliegende Thema zu bezeichnen?
Ich gebe zu: Ich selbst habe keine Erinnerung an die Zeiten, als es noch keine Farbfotografie gab. Aber es hat solche Zeiten gegeben - und auch damals sind hervorragende Bilder entstanden. Doch damals hatten es Fotografen wie Edward Weston oder Ansel Adams - zumindest in dieser Hinsicht - leichter, denn die Frage nach Farbe oder Schwarzweiß stellte sich erst gar nicht. Sie waren es gewohnt, ihre Motive schon beim Sehen in Schwarzweiß umzusetzen. Aus meinen späteren Analogzeiten ist mir eine immer wiederkehrende Situation deutlich in Erinnerung. Ich hatte stets den falschen Film in der Kamera: Hatte ich einen Farbfilm eingelegt, sah ich immer wieder Schwarzweiß-Motive und hatte ich einen Schwarzweiß-Film in der Kamera, dann begegnete ich immer den Motiven, die erst in farbiger Darstellung ihre Wirkung entfalten. Aus dieser Zeit habe ich noch eine vage Vorstellung vom eben erwähnten "Schwarzweiß-Sehen", auch wenn ich es niemals so beherrscht habe wie Edward Weston.
Heute kann uns mit unseren Digitalkameras so etwas nicht mehr passieren. Wir haben auch nach der Aufnahme noch die freie Wahl, ob wir das Bild in Farbe oder Schwarzweiß umsetzen - oder auch in beiden Varianten. Möglicherweise ist dabei aber eines ein wenig verlorengegangen: Die Fähigkeit, Schwarzweiß-Motive zu erkennen, nämlich solche, die nach einer Schwarzweiß-Darstellung geradezu verlangen - oder bei welchen die Schwarzweiß-Umsetzung einfach nur die klar bessere Option ist. Aber welche Motive sind das? Anders gefragt: Was macht ein gutes Schwarzweiß-Motiv aus?
Wenn ich jetzt versuche, Schwarzweiß als fotografische Ausdrucksweise ein wenig zu charakterisieren, so bin ich mir schon von Vorneherein im Klaren, dass alles, was ich schreibe, erstens nicht unangefochten und zweitens gewiss nicht vollständig sein wird. Es gibt verschiedene Zugänge dazu - und auch mehrere können richtig sein. In Hinblick auf das schon eingangs angesprochene Statement der Themenersteller, dass sich eine Erklärung erübrige, fällt mir ein Zitat ein von einer Ikone der deutschen Nachkriegsfotografie:
Robert Häusser hat geschrieben: Farbe ist zu geschwätzig. Sie lenkt nur ab von der Beziehung zum Gegenstand.
Der erste Satz scheint eine gewisse Herabwürdigung der Farbfotografie zu beinhalten und ist - in durchaus provokativer Absicht - wahrscheinlich auch so gemeint. Wir können ihn aber auch wertfrei auffassen in dem Sinn, dass die Farbfotografie immer und in alle Bildelemente mit der Farbe eine zusätzliche Elementeigenschaft einbringt. Sind es viele Elemente in verschiedenen Farben, so kann das leicht zu viel werden. Man merkt es schon bei Bildern mit wenigen und ähnlichen Farben, dass sie im allgemeinen ruhiger wirken als tatsächlich bunte Bilder. Diese Tendenz findet ihren Höhepunkt eben im Schwarzweiß-Bild.
Das Schwarzweiß-Bild hat also die Fähigkeit - natürlich unter Mithilfe des Fotografen - Störungen und Ablenkungen, wenn nicht verschwinden, so doch in den Hintergrund treten zu lassen - in einem deutlich stärkeren Wirkungsgrad, als es in Farbe möglich wäre. Mit dem Hintanhalten von möglichen Stör- und Ablenkungeselementen, mit der "Beruhigung" des Bildganzen, ergibt sich zwangsläufig eine Konzentration des Bildinhalts auf das eigentliche Motiv. Zum Motiv (von Robert Häusser im obigen Zitat als "Gegenstand" bezeichnet) kann der Fotograf (ebenfalls gemäß dem genannten Zitat) eine Beziehung aufbauen. Das hört sich zunächst ein wenig befremdlich an, denn üblicherweise pflegt man Beziehungen zu Menschen - und zu Tieren, zu Haustieren vor allem. Mensch und Tier können zwar auch Motive sein - aber unter Pflanzen und toten Objekten finden sich solche ebenso. Nachdem Häusser von "Gegenständen" spricht, waren wohl eher diese gemeint. Aber in einer generellen Sicht können wir auch Menschen und Tiere mit einschließen. Noch offen bleibt aber die Frage, wie man eine Beziehung zu einem toten Gegenstand herstellt. Wie können wir uns eine solche Beziehung vorstellen? Um in dieses Feld einzusteigen, suche ich wieder Zuflucht zu einem Zitat, das ich allerdings nur sinngemäß anführen kann: Ted Grant, ein kanadischer Fotoreporter hat gesagt, dass man die Kleidung zeigt, wenn man Menschen in Farbe fotografiert, wenn man sie hingegen in Schwarzweiß fotografiert, dann zeigt man ihre Seele. Große Worte - leider sehr abstrakt. Ohne Bildbeispiele wird es wohl auch nicht anders werden. Versuchen wir aber, das Statement Grants auszudehnen auf jede Art von Motiv, nicht nur auf Menschen; und ersetzen wir "Seele" mit "Wesen".
Mit der Schwarzweiß-Fotografie haben wir also die Möglichkeit, das Wesen der Dinge zu zeigen, statt ihre äußere Gestalt - oder vielmehr das Wesen der Dinge an ihrer äußeren Gestalt. Bevor ich schon wieder zu sehr ins Abstrakte abgleite, versuche ich es mit einem Vergleich: Ein Musiker kann, wenn er sein Instrument beherrscht, ein Musikstück vom Blatt spielen. Das ist rein technisches Können. Aber über dieses Vorgehen lernt er die Musik schließlich kennen und findet durch Übung zu einer eigenen Interpretation: Er hat - im Sinne Häussers - eine Beziehung zur Musik aufgebaut. Abgesehen von völlig verschiedenen äußeren Voraussetzungen besteht dazu analog auch eine Beziehung zwischen Fotograf und Motiv, beziehungsweise kann sich der Fotograf eine solche erwerben. In der Umsetzung ist die Schwarzweiß-Variante in sehr vielen Fällen die am besten geeignete Methode dazu.
Das war auch schon früher so, als Farbmaterial noch nicht oder nur unter schwierigen Voraussetzungen zur Verfügung stand. Aber damals gab es keine oder kaum Alternativen zur Schwarzweiß-Fotografie, also wurde alles in Schwarzweiß dargestellt. Heute lässt sich technisch praktisch alles genauso in Farbe präsentieren. Die Alternative "Farbe" steht also so gut wie immer zu Verfügung. Seit das so ist, hat sich die Schwarzweiß-Fotografie eine neue Nische suchen müssen und sich - wie ich meine: erfolgreich - etabliert in der Darstellung des Wesens - oder des Wesentlichen - des Motivs. Wenn es um reine, äußere Abbildungen geht, macht es kaum noch Sinn, eine Schwarzweiß-Darstellung zu wählen. Schon durch den Verzicht auf Farbe erreicht man mit einem Schwarzweiß-Bild einen höheren Abstraktionsgrad, der es dem Betrachter erleichtert, auch weitere Abstraktionsstufen mitzuvollziehen. Diese liegen meist völlig in der Hand des Fotografen und ich kann die Möglichkeiten dazu nur beispielhaft - und unvollständig - anführen: Ausschnittwahl in Hinblick auf die Konzentration auf das Wesentliche, Perspektive, Beleuchtung bzw. Beachtung des gegebenen Lichts und - je nach Motiv - auch weitere. Aber damit dringen wir schon ein in den Ausführungsbereich, auf den ich aber gar nicht eingehen will.
Das ist jedenfalls der Zugang, der mir plausibel erscheint. Dass es nicht der einzig mögliche ist, sagen mit die Beiträge zu diesem Monatsthema. Deshalb möchte ich - in Verbindung mit den schon oben gestellten Fragen - etwas über die anderen Zugänge erfahren.
Eine Anmerkung hätte ich noch zu Jörgs Bild: Schachmatt ist das nicht. Der schwarze König hätte noch die Möglichkeit, auf das direkt vor dem Betrachter liegende weiße Feld auszuweichen.
Ansonsten stehe ich noch unter dem tiefen Eindruck der Anmerkung Jörgs im Monatsthema-Forum
George hat geschrieben:
Ich wäre froh, wenn Du meine Beiträge vor dem Antworten sorgfältig lesen würdest, ...
Darauf hoffe ich auch - und vor allem auf Antworten.
Gruß Werner